Böse Überraschung für einen Rentenbezüger

Kann es sein, dass ein Rentenbezüger wegen Anmeldung einer zusätzlichen Kinderrente insgesamt weniger Rentenleistungen erhält?

Diese Frage hatte das Bundesgericht jüngst zu klären. Aus rechtlicher Sicht ging es um Klarstellung, wann und in welchem Umfang eine Vorsorgeeinrichtung ihre Überentschädigungsberechnung umfassend prüfen und gegebenenfalls revidieren kann.

Entscheid Bundesgericht 9C_28/2016 vom 30. Januar 2017

Ausgangslage

Der Kläger A. war bei einer Sammelstiftung berufsvorsorgeversichert, als er im Jahr 2001 einen schweren Berufsunfall erlitt. In der Folge war er vollständig arbeits- und erwerbsunfähig. Die IV-Stelle sprach ihm eine ganze Rente samt Kinderrenten zu, die SUVA eine Komplementärrente zur IV-Rente. Auch die Sammelstiftung sprach A. eine BVG-Invalidenrente samt Kinderrenten zu, kürzte sie jedoch wegen Überentschädigung. Ihrer Überentschädigungsberechnung hatte sie ein Valideneinkommen zu Grunde gelegt, das sie den SUVA-Akten entnommen hatte. Dieses Valideneinkommen war unter Annahme einer nach dem Unfall einsetzenden überproportionalen hypothetischen Lohnerhöhungen bestimmt worden, laut Bundesgericht „anders als je von der IV-Stelle angenommen.“

Im Juni 2010 wurde A. ein drittes Mal Vater. Die Sammelstiftung nahm die Anspruchsberechtigung auf eine weitere Kinderrente zum Anlass, ihre Überentschädigungsberechnung einer umfassenden Prüfung zu unterziehen. Dabei ging sie neu von einem mutmasslich entgangenen Verdienst ohne überproportionale hypothetische Lohnentwicklung aus und berechnete auf dieser Basis ihre künftigen Leistungen. Dies führte zu einer massiven Verminderung der Leistungen.

Rechtsweg

A. klagte gegen die Sammelstiftung und verlangte, dass diese ihre Berechnungen wieder auf demselben mutmasslich entgangenen Verdienst vornehme wie bisher. Die Vorinstanz wies die Klage ab. Der Kläger wehrte sich dagegen mit dem Argument, das Hinzutreten einer weiteren Kinderrente erlaube keine Neubeurteilung der „einmal festgelegte(n) Valideneinkommensentwicklung“. Solches sei nur unter den (nicht gegebenen) Wiedererwägungsvoraussetzungen möglich. Ausserdem rief er den Vertrauensschutz an.

Aus dem Bundesgericht: Laut Art. 24 Abs. 5 BVV 2 kann die Vorsorgeeinrichtung die Voraussetzungen und den Umfang einer Überentschädigungskürzung überprüfen und ihre Leistungen anpassen, wenn die Verhältnisse sich wesentlich ändern. Laut Bundesgericht handelt es sich dabei um eine Anpassungspflicht.Als wesentliche Änderung gilt eine Leistungsanpassung von mind. 10% zugunsten oder zuungunsten des Rentenbezügers. Als ein Faktor der Überentschädigungsberechnung ist der einmal bestimmte mutmasslich entgangene Verdienst in der Folgezeit nur dann neu festzulegen, „wenn hinreichender Grund für die Annahme besteht, dass sich die Verhältnisse im Sinne von Art. 24 Abs. 5 BVV 2 wesentlich geändert“ haben. Somit stellte sich die vom Bundesgericht zu klärende Frage, ob das Hinzutreten eines weiteren Kinderrentenanspruchs (welcher für sich genommen die koordinierten BVG-Leistungen um über 10% hätte ansteigen lassen) ausreichender Grund ist für eine freie Überprüfung der Überentschädigungsberechnung. Im zu beurteilenden Fall bewirkte diese Überprüfung und Neuberechnung insgesamt eine Leistungsherabsetzung von mehr als10%.

Zur Beantwortung geht das Bundesgericht vom Grundsatz der Kongruenz von Valideneinkommen und mutmasslich entgangenem Verdienst und der daraus folgenden Bindungswirkung von Feststellungen der IV-Behörden für Vorsorgeeinrichtungen aus. Die gesetzliche Konzeption der weitgehenden materiellrechtlichen Koordination zwischen erster und zweiter Säule sei für die Beantwortung der Frage wegweisend. Weiter führt es aus: „Nachdem bei Vorliegen eines Revisionsgrundes im Sinne von Art. 17 ATSG der Rentenanspruch nach ständiger Rechtsprechung von den IV-Behörden in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allseitig und ohne Bindung an frühere Beurteilungen zu prüfen ist (…), lässt sich dieser Grundsatz analog auf die berufsvorsorgerechtliche Anpassung einer Überentschädigungsberechnungskürzung nach Art. 24 Abs. 5 BVV 2 übertragen: Erfährt ein einzelner Berechnungsfaktor eine wesentliche, d.h. an sich eine Leistungsanpassung von von mindestens 10% bewirkende Änderung, prüft die Vorsorgeeinrichtung allseitig und ohne Bindung an früher ermittelte Faktoren, ob und in welchem Umfange eine Überentschädigung vorliegt.“

Die Neuberechnung der Kasse, durch die sich die Leistungsanpassung (zusätzliche Kinderrente) nicht nur kompensierte, sondern sogar überkompensierte (insgesamt waren nach der Neuberechnung selbst mit der zusätzlichen Kinderrente insgesamt weniger Leistungen geschuldet als zuvor), war also rechtmässig. Wie das Bundesgericht abschliessend noch festhält, bleibt der BVG-Invalidenrentenanspruch von der Neuberechnung der Überentschädigung unberührt.

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Böse Überraschung für einen Rentenbezüger

Kann es sein, dass ein Rentenbezüger wegen Anmeldung einer zusätzlichen Kinderrente insgesamt weniger Rentenleistungen erhält?

Diese Frage hatte das Bundesgericht jüngst zu klären. Aus rechtlicher Sicht ging es um Klarstellung, wann und in welchem Umfang eine Vorsorgeeinrichtung ihre Überentschädigungsberechnung umfassend prüfen und gegebenenfalls revidieren kann.

Entscheid Bundesgericht 9C_28/2016 vom 30. Januar 2017

Ausgangslage

Der Kläger A. war bei einer Sammelstiftung berufsvorsorgeversichert, als er im Jahr 2001 einen schweren Berufsunfall erlitt. In der Folge war er vollständig arbeits- und erwerbsunfähig. Die IV-Stelle sprach ihm eine ganze Rente samt Kinderrenten zu, die SUVA eine Komplementärrente zur IV-Rente. Auch die Sammelstiftung sprach A. eine BVG-Invalidenrente samt Kinderrenten zu, kürzte sie jedoch wegen Überentschädigung. Ihrer Überentschädigungsberechnung hatte sie ein Valideneinkommen zu Grunde gelegt, das sie den SUVA-Akten entnommen hatte. Dieses Valideneinkommen war unter Annahme einer nach dem Unfall einsetzenden überproportionalen hypothetischen Lohnerhöhungen bestimmt worden, laut Bundesgericht „anders als je von der IV-Stelle angenommen.“

Im Juni 2010 wurde A. ein drittes Mal Vater. Die Sammelstiftung nahm die Anspruchsberechtigung auf eine weitere Kinderrente zum Anlass, ihre Überentschädigungsberechnung einer umfassenden Prüfung zu unterziehen. Dabei ging sie neu von einem mutmasslich entgangenen Verdienst ohne überproportionale hypothetische Lohnentwicklung aus und berechnete auf dieser Basis ihre künftigen Leistungen. Dies führte zu einer massiven Verminderung der Leistungen.

Rechtsweg

A. klagte gegen die Sammelstiftung und verlangte, dass diese ihre Berechnungen wieder auf demselben mutmasslich entgangenen Verdienst vornehme wie bisher. Die Vorinstanz wies die Klage ab. Der Kläger wehrte sich dagegen mit dem Argument, das Hinzutreten einer weiteren Kinderrente erlaube keine Neubeurteilung der „einmal festgelegte(n) Valideneinkommensentwicklung“. Solches sei nur unter den (nicht gegebenen) Wiedererwägungsvoraussetzungen möglich. Ausserdem rief er den Vertrauensschutz an.

Aus dem Bundesgericht: Laut Art. 24 Abs. 5 BVV 2 kann die Vorsorgeeinrichtung die Voraussetzungen und den Umfang einer Überentschädigungskürzung überprüfen und ihre Leistungen anpassen, wenn die Verhältnisse sich wesentlich ändern. Laut Bundesgericht handelt es sich dabei um eine Anpassungspflicht.Als wesentliche Änderung gilt eine Leistungsanpassung von mind. 10% zugunsten oder zuungunsten des Rentenbezügers. Als ein Faktor der Überentschädigungsberechnung ist der einmal bestimmte mutmasslich entgangene Verdienst in der Folgezeit nur dann neu festzulegen, „wenn hinreichender Grund für die Annahme besteht, dass sich die Verhältnisse im Sinne von Art. 24 Abs. 5 BVV 2 wesentlich geändert“ haben. Somit stellte sich die vom Bundesgericht zu klärende Frage, ob das Hinzutreten eines weiteren Kinderrentenanspruchs (welcher für sich genommen die koordinierten BVG-Leistungen um über 10% hätte ansteigen lassen) ausreichender Grund ist für eine freie Überprüfung der Überentschädigungsberechnung. Im zu beurteilenden Fall bewirkte diese Überprüfung und Neuberechnung insgesamt eine Leistungsherabsetzung von mehr als10%.

Zur Beantwortung geht das Bundesgericht vom Grundsatz der Kongruenz von Valideneinkommen und mutmasslich entgangenem Verdienst und der daraus folgenden Bindungswirkung von Feststellungen der IV-Behörden für Vorsorgeeinrichtungen aus. Die gesetzliche Konzeption der weitgehenden materiellrechtlichen Koordination zwischen erster und zweiter Säule sei für die Beantwortung der Frage wegweisend. Weiter führt es aus: „Nachdem bei Vorliegen eines Revisionsgrundes im Sinne von Art. 17 ATSG der Rentenanspruch nach ständiger Rechtsprechung von den IV-Behörden in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allseitig und ohne Bindung an frühere Beurteilungen zu prüfen ist (…), lässt sich dieser Grundsatz analog auf die berufsvorsorgerechtliche Anpassung einer Überentschädigungsberechnungskürzung nach Art. 24 Abs. 5 BVV 2 übertragen: Erfährt ein einzelner Berechnungsfaktor eine wesentliche, d.h. an sich eine Leistungsanpassung von von mindestens 10% bewirkende Änderung, prüft die Vorsorgeeinrichtung allseitig und ohne Bindung an früher ermittelte Faktoren, ob und in welchem Umfange eine Überentschädigung vorliegt.“

Die Neuberechnung der Kasse, durch die sich die Leistungsanpassung (zusätzliche Kinderrente) nicht nur kompensierte, sondern sogar überkompensierte (insgesamt waren nach der Neuberechnung selbst mit der zusätzlichen Kinderrente insgesamt weniger Leistungen geschuldet als zuvor), war also rechtmässig. Wie das Bundesgericht abschliessend noch festhält, bleibt der BVG-Invalidenrentenanspruch von der Neuberechnung der Überentschädigung unberührt.